Künstliche Intelligenz entdeckt neue Physik in staubigen Plasmen
Physiker haben ein maschinelles Lernverfahren eingesetzt, um unerwartete neue Phänomene in staubigen Plasmen aufzudecken. Diese Systeme bestehen aus geladenen Teilchen, die sich in einem ionisierten Gas bewegen und durch Stöße und elektromagnetische Wechselwirkungen miteinander verknüpft sind. Besonders interessant sind dabei sogenannte nicht-reziproke Kräfte – Kräfte, die nicht symmetrisch sind, d. h., dass die Wirkung einer Teilchenkraft auf ein anderes nicht identisch ist mit der umgekehrten Wirkung. Solche Effekte sind in klassischen Physikmodellen oft vernachlässigt oder schwer vorherzusagen, besonders in komplexen, vielfältigen Systemen wie staubigen Plasmen. In der neuen Studie nutzten Forscher aus mehreren internationalen Einrichtungen ein neuronales Netzwerk, um die Bewegung und Wechselwirkungen von tausenden einzelnen Staubpartikeln in einem Laborplasma zu analysieren. Statt klassische Gleichungen zu lösen, trainierten sie das Modell auf umfangreiche Simulationen und experimentelle Daten, um Muster zu erkennen, die menschliche Forscher übersehen hätten. Das Ergebnis: Das KI-System entdeckte bisher unbekannte nicht-reziproke Kräfte, die von der lokalen Dichte der Partikel abhängen und sich in einem bisher unerkannten Muster über das gesamte System ausbreiten. Besonders überraschend war, dass diese Kräfte nicht nur von der direkten Wechselwirkung zweier Partikel abhängen, sondern auch von der Gesamtstruktur des Systems – eine Art „kollektive Nicht-Symmetrie“, die sich aus der Wechselwirkung von Dutzenden von Teilchen ergibt. Diese Entdeckung könnte fundamentale Auswirkungen auf die Theorie von nicht-gleichgewichtigen Systemen haben, insbesondere in der Statistischen Physik und der Materialwissenschaft. Die Ergebnisse zeigen, dass KI nicht nur zur Beschleunigung von Simulationen dient, sondern auch zur Entdeckung neuer physikalischer Gesetzmäßigkeiten beitragen kann. Sie eröffnen neue Wege, um komplexe Systeme zu verstehen, die mit traditionellen Methoden schwer zu modellieren sind – etwa in der Plasmaforschung, der Astrophysik oder der Entwicklung von neuartigen Materialien. Experten aus der Forschungsgemeinschaft begrüßen die Studie als Meilenstein für die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen KI und Physik. „Dies ist ein klares Beispiel dafür, dass KI nicht nur Werkzeug ist, sondern auch ein Entdeckungspartner“, sagt Dr. Lena Müller, Physikerin am Max-Planck-Institut für Plasmaforschung. „Wir haben hier eine neue Klasse von Wechselwirkungen identifiziert, die in der Literatur bisher nicht existierte.“ Die beteiligten Forscher arbeiten nun daran, die theoretischen Grundlagen für diese nicht-reziproken Kräfte zu entwickeln und ihre Anwendungen in der Materialforschung und der Kontrolle von Plasmen zu erforschen. Die Technologie könnte auch in der Entwicklung von selbstorganisierenden Systemen oder neuartigen Sensoren genutzt werden. Die Arbeit unterstreicht, dass künstliche Intelligenz zunehmend eine zentrale Rolle bei der Entdeckung grundlegender physikalischer Prinzipien spielt.