Einbruch im Beratungsgeschäft: Einsteiger und Partner werden seltener
Der Beratungssektor steht vor einer tiefgreifenden Transformation, die insbesondere Einsteiger und ambitionierte Fachkräfte betreffen könnte. Traditionell verlief der Karriereweg in großen Beratungshäusern linear: Nach dem Abschluss eines MBAs wurden frische Talente angeheuert, durch jahrelange Mentorship, lange Arbeitszeiten und hohe Leistungsanforderungen aufgestiegen – mit dem Ziel, Partner zu werden, der bislang als höchste Berufsehre galt. Doch diese Perspektive gerät zunehmend ins Wanken. Laut Branchenanalysten steht die Branche vor einem jahrzehntelangen Umbau, getrieben durch Kostensenkungen, den Ausbau von Künstlicher Intelligenz (KI) und verschärfte Leistungsstandards auf allen Ebenen. Daten von Revelio Labs zeigen einen deutlichen Rückgang der Stellenanzeigen im Beratungsbereich: 2024 lagen sie bei etwa 3,4 Millionen – ein Rückgang um 26 % gegenüber dem Vorjahr. Besonders stark fiel der Einbruch bei Einsteigern aus: Die Zahl der neuen Einsteigerpositionen sank im Juni 2024 um 54 % gegenüber dem Vorjahr, bei Managern sogar um 22 %. Diese Entwicklung ist vor allem in der strategischen Beratung sichtbar, einem Segment, das von McKinsey, Bain und Boston Consulting Group (BCG) dominiert wird. Diese „Big Three“ haben in den Jahren 2021/2022 übermäßig rekrutiert, um den Boom zu nutzen. Seitdem sind sie nun dabei, ihre Teams zu normalisieren. So stieg BCGs Personalbestand 2024 um 1.000, im Vergleich zu 5.000 im Jahr 2022. Bain verlor zwischen 2022 und 2024 rund 1.000 Mitarbeiter, McKinsey ging nach Angaben von Branchenmedien von etwa 40.000 Mitarbeitern im Jahr 2022 auf rund 35.600 zurück – ein Rückgang um 11 %. Obwohl einige Firmen wie McKinsey und BCG über geplante Einstellungen auf Einstiegsniveau berichten, halten Experten diese Ankündigungen für strategische PR-Maßnahmen, um als attraktive Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Namaan Mian von Management Consulted sieht darin keinen signifikanten Trend: „Die Stellenangebote werden sich nicht deutlich erhöhen. Wir werden weiterhin eine langsame Ausdünnung in bestimmten Bereichen und Ebenen sehen – möglicherweise über zehn Jahre.“ Ein zentraler Wandel betrifft das klassische Pyramidenmodell: Statt eines breiten Fundaments aus Einsteigern und einer schmalen Spitze aus Partnern entsteht ein stärker ausgeglichenes Modell mit einem breiten Mittelbereich. Gründe dafür sind veränderte Kundenbedürfnisse – viele strategischen Fragestellungen sind bereits bearbeitet – sowie ein wachsender Bedarf an Spezialkenntnissen, etwa in Technologie- oder Digitalberatung. Zudem setzen Beratungshäuser zunehmend auf KI, die 45 % der typischen Beratungstätigkeiten automatisieren könnte. Laut Mian sind Einsteiger, die vor allem Datenanalyse und Standardberichte erledigen, besonders gefährdet. Auch die Partnerbahn wird enger: McKinsey ernannte 2024 etwa 200 neue Partner – halb so viele wie 2021. Deloitte UK reduzierte seine Promotionszahl um 25 %. Bain hat seinen Rekrutierungsprozess verfeinert und sucht nun weniger nach reinen Abschlussqualifikationen, sondern nach emotionaler Intelligenz (EQ) und „technischer Neugier“ – also der Fähigkeit, KI in der Arbeit zu integrieren. „Wir wollen Menschen, die sofort denken: ‚Wie kann ich hier KI einsetzen?‘“, sagt Ron Kermisch, globaler Leiter Talent Acquisition bei Bain. Analysten wie Tom Rodenhauser von Kennedy Intelligence sehen in dieser Entwicklung keine vorübergehende Krise, sondern eine strukturelle Veränderung. Die alte Berufserwartung – zwölf Jahre hart arbeiten, dann Partner werden und Zugang zu exklusiven Netzwerken erhalten – sei nicht mehr realistisch. Die Zukunft der Beratung werde weniger über Zahlen und Hierarchie, sondern über Expertise, KI-Kompetenz und Kundenorientierung bestimmt. Für junge Berater bedeutet das: Der Weg nach oben ist schwieriger geworden, die Chancen auf eine Partnerposition sind deutlich eingeschränkt.