CS-Abschluss kein Muss mehr: KI verändert Tech-Berufseinstieg
Der CEO von Lovable, Anton Osika, argumentiert in einem Gespräch mit Business Insider, dass ein Informatikstudium heute nicht mehr automatisch die Tür zu einer Karriere in der Technologiebranche öffnet. Der 35-jährige Unternehmer, der 2023 Lovable gemeinsam mit anderen gegründet hat, betont, dass der Abschluss weiterhin wertvoll sei – besonders für tiefgehende Forschung, Systemtheorie oder komplexe Architekturen. Doch die Dynamik hat sich grundlegend verändert: „Die Leverage ist verschoben“, sagt Osika. Heute zählen mehr denn je Neugier, Anpassungsfähigkeit und die Fähigkeit, schnell hochwertige Produkte zu liefern – oft ohne formale Ausbildung. Lovable ist eine Plattform für „Vibe Coding“, die es Nutzern mit geringen Programmierkenntnissen ermöglicht, Software mithilfe von KI zu erstellen. Das Startup, das aktuell 45 Mitarbeiter beschäftigt und 16 Stellen ausschreibt, profitiert von der zunehmenden Automatisierung von Entwicklungsprozessen. Im Juni wurde berichtet, dass das Risikokapitalunternehmen Accel eine neue Finanzierungsrunde leiten würde, die Lovable einen Wert von 1,5 Milliarden US-Dollar zuschreibt – ein klares Signal für das Vertrauen in die KI-gestützte Softwareentwicklung. Osika sieht in der KI eine Revolution, die die traditionellen Barrieren für den Einstieg in die Tech-Welt abbaut. Früher war technisches Know-how der Hauptknackpunkt – Jahre der Ausbildung waren nötig, um überhaupt mit der Entwicklung zu beginnen. Heute kann man mit KI-Tools innerhalb kürzester Zeit von einer Idee zu einem funktionsfähigen Produkt gelangen, ohne jemals einen Informatik-Studenten zu sein. „Für die meisten Menschen ist der Abschluss heute nicht mehr der Eintrittsticket“, sagt Osika. Auch Paul Graham, Gründer von Y Combinator, sieht ähnliche Entwicklungen: In einem Beitrag auf X (früher Twitter) schreibt er, dass niedrigqualifizierte Programmierjobs bereits durch KI verdrängt würden, da KI besonders gut in „Schmutzarbeit“ sei. Gleichzeitig seien die besten Entwickler, die in der Lage sind, eigene Unternehmen zu gründen, stärker gefragt denn je. Sein Rat: „Mach etwas so gut, dass du weit über dem Niveau der Routinearbeit stehst.“ Für Osika ist das zentrale Kriterium bei der Rekrutierung nicht die aktuelle Kompetenz, sondern die Lerngeschwindigkeit und geistige Neugier. „Ich interessiere mich mehr dafür, wie schnell jemand lernt und sich anpasst, als dafür, wo er heute steht. Wenn ein Gespräch lebendig ist und ich am Ende etwas Neues gelernt habe, ist das ein starkes Zeichen dafür, dass diese Person unsere Arbeit voranbringen wird“, sagt er. Die Entwicklung zeigt, dass die Tech-Branche sich von einer rein technischen zu einer kreativen, lern- und anpassungsfähigen Kultur hin entwickelt. Während formale Ausbildung weiterhin eine Rolle spielt, wird der Wert von kognitiver Flexibilität, Kreativität und praktischem Handeln zunehmend höher eingeschätzt. Lovable und ähnliche Plattformen sind dabei nicht nur Werkzeuge für Entwickler, sondern auch Symbole für eine neue Ära der Softwareerstellung – in der KI die Hürden senkt und menschliche Potenziale entfaltet.