AI-Startups verzögern AWS-Ausgaben – Amazon droht Verlust an Einfluss in Cloud 2.0
Amazon Web Services (AWS) steht vor einer tiefgreifenden Transformation, da die Entwicklungen im Bereich generativer KI die traditionellen Cloud-Beziehungen zwischen Startups und Anbietern neu definieren. Längst war AWS die erste Wahl für junge Unternehmen, die ihre Infrastruktur ohne eigene Rechenzentren aufbauen wollten. Doch nun verlagert sich der Fokus: AI-Startups investieren zunehmend in KI-Modelle, Inference-Plattformen und spezialisierte GPU-Anbieter wie OpenAI, Anthropic, Vercel oder neoclouds wie CoreWeave, statt direkt in AWS-Compute- und Speicherdienste. Internen Amazon-Dokumenten zufolge, die als „Amazon Confidential“ markiert sind, zeigen sich signifikante Veränderungen im Ausgabenmuster. So gaben 59 Prozent der Y Combinator-Startups aus dem Jahr 2024 mehr als drei AWS-Service nutzen – ein Rückgang von über vier Prozentpunkten gegenüber 2022. Gleichzeitig nutzten 88 Prozent OpenAI, 72 Prozent Anthropic, aber nur 4,3 Prozent AWS Bedrock. Diese Entwicklung deutet auf einen fundamentalen Wandel hin: Die sogenannte Cloud 2.0 basiert auf spezialisierten Hardware- und Software-Stacks, die weniger „sticky“ sind als traditionelle Cloud-Dienste. Startups können leicht zwischen Anbietern wechseln, was AWS’ Marktführerschaft gefährden könnte. Besonders auffällig ist, dass Unternehmen wie Cursor – obwohl als „all in“ auf AWS eingestuft – weniger als zehn Prozent ihrer Cloud-Ausgaben für klassische Infrastruktur aufwenden, während der Großteil für externe API-Aufrufe und GPU-Neoclouds geht. AWS wächst im Vergleich zu Konkurrenten langsamer: Im zweiten Quartal stieg das Cloud-Geschäft von Microsoft und Google um mehr als 30 Prozent, AWS lag bei 18 Prozent. Neocloud-Anbieter verzeichnen Wachstumsraten von über 200 Prozent. Auch die Marktanteile unter den führenden AI-Startups haben sich verschoben: Während AWS 2022–2024 noch 33 Prozent hatte, lag er 2024–2025 bei 30 Prozent – hinter Google Cloud (38 Prozent) und vor Microsoft Azure (7 Prozent). Zudem nutzen rund 25 Prozent der Startups mehr als zwei Cloud-Anbieter. AWS’ Preisstrategie wirkt sich negativ aus. Laut internen Dokumenten lehnen 90 Prozent der frühen Startups aus dem Portfolio von Radical Ventures AWS ab, weil die GPU-Preise höher sind als bei Wettbewerbern. Auch öffentliche Kritik kommt: Gavin Baker warf Amazon vor, die Preise für Nvidia-Blackwell-Chips erhöht zu haben, während Chamath Palihapitiya sagte, Amazon sei „zu teuer“ geworden. Obwohl AWS kürzlich die Preise für EC2-GPU-Instanzen um 45 Prozent senkte, bleibt der Wettbewerbsnachteil bestehen. Zudem leidet AWS unter einem Imageproblem: Internen Berichten zufolge wird das Unternehmen in der Venture-Szene als „im Rückstand“ in Sachen KI wahrgenommen. Executive-Auftritte bei Konferenzen sind seltener geworden. Auch die Erkennung von frühreifen Startups gelingt AWS nicht optimal, da sein VC-basiertes Modell für AI-native Solopreneure und bootstrapped Teams ungeeignet ist. Der plötzliche Rücktritt von Jon Jones, ehemaliger VP für Startups und Venture Capital, unterstreicht die strukturellen Herausforderungen. AWS betont, dass es weiterhin die bevorzugte Plattform sei, und nennt Beispiele wie Perplexity, Luma AI und andere. Doch die zugrundeliegenden Daten und Trends deuten auf eine ernsthafte Bedrohung für die langfristige Dominanz von AWS hin. Obwohl Amazon mit Anthropic eine strategische Partnerschaft pflegt und enorme Investitionen tätigt, bleibt die Frage, ob es gelingt, die frühen Kunden zu gewinnen, bevor sie sich an andere Anbieter binden. Die Zukunft des Cloud-Marktes könnte nicht mehr nur von AWS, sondern von einem Wettbewerb zwischen traditionellen Anbietern und neuen, spezialisierten AI-Neoclouds geprägt sein.