AI-Boom bedroht Jobs junger Arbeitnehmer
Die Debatte über die Auswirkungen künstlicher Intelligenz (KI) auf die Beschäftigung junger Menschen in den USA hat sich in den letzten Monaten dramatisch verändert. Zunächst war die Frage offen: Beeinflusst KI tatsächlich die Arbeitschancen junger Absolventen? Anfangs gab es Hinweise auf eine mögliche Zunahme von Stellenabbau bei jungen Fachkräften, insbesondere in white-collar-Berufen wie Softwareentwicklung oder Kundenservice – Bereiche, in denen generative KI wie ChatGPT bereits Routineaufgaben übernehmen kann. Ein Essay des Atlantic-Autors in April 2024 hob diese Möglichkeit hervor, gestützt auf eine Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation für frisch Graduierte, die der New York Federal Reserve gemeldet hatte. Experten wie Harvard-Ökonom David Deming argumentierten, dass KI gerade solche Tätigkeiten ersetzen könne, die typischerweise von jungen Absolventen übernommen werden. Doch bald folgten dramatische Berichte aus den Medien: Die New York Times sprach von einem „KI-Job-Apokalypse“, Axios von einem „KI-Blockade“ für Absolventen, und Anthropic-Chef Dario Amodei prognostizierte sogar, dass bis 2029 die Hälfte aller Einstiegsstellen in Büroberufen verschwinden könnte. Die Stimmung war geprägt von Panik. Doch dann kam Gegenwehr. Analysten wie John Burn-Murdoch und die Economic Innovation Group analysierten umfangreiche Daten und fanden kaum Hinweise auf KI-bedingte Beschäftigungsverluste – vielmehr zeigten viele Unternehmen keine Nettoveränderung bei ihren Stellen. Auch der wirtschaftliche Rückgang bei Tech-Einstellungen habe sich inzwischen wieder erholt. Noah Smith fasste zusammen: Die Mehrheit der Evidenz spricht gegen die These, dass KI derzeit junge Arbeitskräfte verdrängt. Doch nun brachte eine neue Studie von Stanford-Ökonomen Erik Brynjolfsson, Bharat Chandar und Ruyu Chen eine entscheidende Wende. Sie nutzten hochauflösende Monatsdaten des privaten Arbeitsmarktdienstleisters ADP, die Millionen von Arbeitnehmern abdecken, und untersuchten die Entwicklung seit dem Erscheinen von ChatGPT. Ihr Ergebnis: Bei jungen Arbeitnehmern im Alter von 22 bis 25 Jahren, die in „hoch KI-exponierten“ Berufen wie Softwareentwicklung oder Kundenservice arbeiten, sank die Beschäftigung um 13 Prozent. Gleichzeitig blieb die Beschäftigung bei älteren Arbeitnehmern stabil oder stieg – und in weniger KI-exponierten Berufen wie Pflegehilfe stieg die Beschäftigung bei jungen Kräften sogar schneller. Die Daten zeigen eine klare, alters- und berufsgruppenabhängige Wirkung. Ein entscheidender Faktor ist die Art der KI-Nutzung: Wo KI Aufgaben automatisiert (z. B. Code schreiben, Dokumente formatieren), sinkt die Nachfrage nach jungen Mitarbeitern. Wo KI dagegen als „Unterstützungswerkzeug“ dient (z. B. bei strategischen Entscheidungen, kreativen Prozessen), zeigt sich kein solcher Effekt. Innerhalb derselben Firma beobachteten die Forscher, dass KI-exponierte Abteilungen weniger junge Mitarbeiter einstellen, während weniger exponierte Abteilungen wachsen. Dies deutet darauf hin, dass die KI nicht allgemein Arbeitsplätze vernichtet, sondern eine Umstrukturierung im Arbeitsmarkt bewirkt – vor allem bei jungen, weniger erfahrenen Arbeitnehmern, deren Wissen oft auf codifizierten, schriftlichen Inhalten basiert, die KI leicht nachvollziehen kann. Die Studie unterstreicht, dass KI nicht nur die Zukunft, sondern bereits die Gegenwart verändert – besonders für junge Berufseinsteiger. Sie fordert Hochschulen und Bildungssysteme heraus, ihre Curricula anzupassen: Lernen, wie man KI effektiv einsetzt, wird so wichtig wie das Fachwissen selbst. Gleichzeitig sind Fähigkeiten, die schwer zu codieren sind – wie strategisches Denken, emotionale Intelligenz oder physische Arbeit – zunehmend wertvoller. Bewertung durch Experten: Die Studie wird von vielen Ökonomen als bisher überzeugendste Evidenz angesehen, die einen direkten Zusammenhang zwischen KI und jungen Arbeitslosen zeigt. Ihre Stärke liegt in der Datengröße und der feinen Segmentierung. KI-Experten wie Andrew Ng betonen, dass die Realität komplexer sei als einfache „KI-vernichtet-Jobs“-Narrative. Die Zukunft werde nicht durch vollständige Automatisierung, sondern durch eine Transformation der Arbeitsaufgaben bestimmt – mit klaren Gewinnern und Verlierern. Unternehmen, die KI strategisch einsetzen, werden wachsen, während solche, die nur kostensenkend agieren, langfristig leiden. Für junge Menschen bedeutet dies: Fachwissen allein reicht nicht mehr – KI-Fluency und adaptives Lernen sind entscheidend.