Nvidias $110-Billion-Wette: Ähnlich wie die Telekommunikationsblase?
Nvidia hat im September 2025 eine bis zu 100 Milliarden Dollar schwere Investition in OpenAI angekündigt, ergänzt um weitere 15 Milliarden Dollar an GPU-basierten Schulden – insgesamt ein Finanzierungsvolumen von 110 Milliarden Dollar. Diese Strategie, bei der ein Technologielieferant Kunden mit Kapital unterstützt, um deren Anschaffung seiner Produkte zu ermöglichen, erinnert an die Vendor Financing-Praktiken während des Telekommunikations-Booms der Jahrtausendwende, insbesondere bei Lucent Technologies. Lucent hatte 1999 mit 8,1 Milliarden Dollar an Krediten an Netzbetreiber und CLECs (Competitive Local Exchange Carriers) die Markthoheit ausgebaut, doch als die Blase platzte, folgten massive Kreditverluste, Bilanzmanipulationen und letztlich der Zusammenbruch. Lucent verlor bis 2002 69 Prozent seines Umsatzes und wurde 2006 mit Alcatel fusioniert. Nvidia steht heute vor einem ähnlichen Risikoprofil: Die direkten Investitionen entsprechen 85 Prozent des Jahresumsatzes (130 Milliarden Dollar), deutlich mehr als Lucent mit 20 Prozent seines Umsatzes. Zudem haben sich neue Finanzierungsformen etabliert, darunter GPU-basierte Kredite – CoreWeave etwa hat 10,45 Milliarden Dollar an Schulden mit GPU-Kollateral, und weitere 10 Milliarden Dollar sind im „Neocloud“-Sektor entstanden. Diese Kredite tragen Zinssätze von rund 14 Prozent, dreimal so hoch wie Investment-Grade-Unternehmensanleihen. Kritiker warnen, dass die Bilanzierung von GPUs über sechs Jahre – obwohl in der Praxis ihre Nutzung in Rechenzentren oft nur 1 bis 3 Jahre dauert – eine falsche Wertschätzung fördert. Amazon hat 2025 sogar die Abschreibungszeit von sechs auf fünf Jahre zurückgezogen – ein erster Hinweis auf eine Korrektur. Ein weiteres Risiko ist die zunehmende Konzentration der Kundenbasis: 39 Prozent des Nvidia-Umsatzes stammen von nur zwei Unternehmen, 46 Prozent von vier – doppelt so hoch wie bei Lucent. Zudem nutzen Spezialzweckgesellschaften (SPVs), in denen Private-Equity-Firmen und Hyperscaler wie Meta oder Microsoft gemeinsam Rechenzentren bauen, die Möglichkeit, Schulden von ihren Bilanzen fernzuhalten. Dies ermöglicht riesige Investitionen – bis zu 50 Prozent des Betriebsgewinns – ohne die Kreditwürdigkeit zu belasten. Doch bei sinkender Auslastung oder schnellerer technologischer Obsoleszenz drohen Verluste für die schmalen Eigenkapitalanteile. Ein entscheidender Unterschied zu 2000: Die heutigen Kunden wie Microsoft, Google, Amazon und Meta sind profitabel und treiben die Nachfrage durch eigene Enterprise-Kunden an. OpenAI ist zwar verlustbringend (4,7 Milliarden Dollar Verlust in H1 2025), doch die meisten Verluste stammen aus Stock-Based Compensation. Zudem ist KI bereits breit eingesetzt: 40 Prozent der US-Arbeitnehmer nutzten 2025 KI am Arbeitsplatz – doppelt so viele wie 2023. Studien zeigen, dass KI-Nutzer ihre Leistung um bis zu 40 Prozent steigern und Löhne in KI-exponierten Branchen doppelt so schnell wachsen. Trotzdem bleiben Risiken bestehen: Die Entwicklung eigener Chips durch Hyperscaler (Microsofts Maia, Google TPUs, Amazon Trainium) könnte die Abhängigkeit von Nvidia verringern. Zudem könnte eine Abnahme der GPU-Nutzung oder ein Ausfall der Monetarisierung bei OpenAI die Rückflüsse in die Nvidia-Kasse gefährden. Bewertung durch Branchenexperten: Industrieanalysten wie Paul Kedrosky warnen vor einer „Optik-Blase“, bei der Hyperscaler durch SPVs und verlängerte Abschreibungen die Finanzkraft vortäuschen. Cerno Capital betont, dass die Abschreibungspraxis von sechs Jahren nicht der Realität entspricht. Dennoch: Im Gegensatz zu Lucent, das auf Betrug und Falschinformationen baute, operiert Nvidia in einem Markt mit echter Nachfrage, technologischer Fortschritt und profitablen Nutzern. Die Gefahr ist nicht die des spekulativen Blasenverfalls, sondern der einer überzogenen Kapitalisierung – mit Risiken, die aber durch Fundamentalkraft abgemildert werden.