Neues Röntgenlaser-Toolkit revolutioniert Materialforschung am SLAC
Mit der Erweiterung des Linac Coherent Light Source (LCLS) am SLAC National Accelerator Laboratory durch das LCLS-II-Upgrade verfügt die Wissenschaft über ein neuartiges X-ray-Laser-Toolkit, das bahnbrechende Fortschritte in der Erforschung atomarer und quantenmechanischer Prozesse ermöglicht. Die Erhöhung der Röntgenpulsfrequenz von 120 auf eine Million Pulse pro Sekunde – eine Steigerung um das Zehntausendfache – hat die Datenqualität und -geschwindigkeit revolutioniert. Forscher können nun komplexe, dynamische Prozesse in Echtzeit beobachten, die zuvor unmöglich waren. Zwei zentrale neue Instrumente, qRIXS und chemRIXS, nutzen die Technik der resonanten inelastischen Röntgenstreuung (RIXS), um die Energieverteilung und elektronische Zustände in Materialien mit bisher unerreichter Präzision zu untersuchen. qRIXS, ein 3,6 Meter großer Spektrometer mit 110-Grad-Schwenkbewegung, ermöglicht detaillierte Untersuchungen von Quantenmaterialien wie Hochtemperatur-Supraleitern, deren Verständnis entscheidend für die Entwicklung effizienter Quantencomputer, präziser Medizindiagnosegeräte und verlustfreier Stromnetze ist. chemRIXS hingegen erlaubt die Analyse von Flüssigkeiten – von reinem Wasser bis zu chemischen Lösungsmitteln – mit hoher Sensitivität, auch bei niedrigen Konzentrationen, was für die Erforschung realistischer chemischer Reaktionen entscheidend ist. Beide Instrumente profitieren massiv von der erhöhten Pulsraten, wodurch Messungen, die früher Tage dauerten, nun in Minuten oder Sekunden abgeschlossen werden können. In der Time-resolved Atomic, Molecular and Optical Science (TMO)-Endstation wurden weitere bahnbrechende Geräte vorgestellt. Der Multi-Resolution Cookie Box (MRCO) mit 16 Elektronendetektoren ermöglicht die präzise Messung von Elektronenemissionen bei der Wechselwirkung mit Molekülen, was die Untersuchung von Ladungs- und Energieübertragung in natürlichen Zeitskalen von einer Millionstel Billionstel Sekunde erlaubt. Gleichzeitig ermöglicht das Dynamic REAction Microscope (DREAM) die Erstellung von „Molekülfilmen“: Ein einzelnes Molekül wird mit extrem intensiven Röntgenpulsen so stark ionisiert, dass es „explodiert“, und die Flugbahnen der Bruchstücke werden erfasst, um ein hochauflösendes 3D-Bild der Reaktion zu rekonstruieren. Dies erlaubt es, Prozesse wie Photosynthese, Lichtempfindung oder DNA-Energietransport auf atomarer Ebene zu entschlüsseln. Früher benötigte ein solcher Versuch Monate; heute sind Millionen von Aufnahmen innerhalb kurzer Zeit möglich. Die enorme Datenmenge, die durch das Upgrade entsteht, wird zudem genutzt, um künstliche Intelligenz-Modelle zu trainieren, die die Datenanalyse beschleunigen und die Steuerung der Beschleuniger in Echtzeit unterstützen. „Dies ist ein Wendepunkt für die Wissenschaft“, sagt SLAC-Forscher James Cryan. Die Integration von KI und hochfrequenten Röntgenpulsen verspricht eine neue Ära der beschleunigten Entdeckung in Materialwissenschaft, Chemie und Biologie. Industrielle und akademische Experten sehen in der LCLS-II-Erweiterung eine entscheidende Infrastruktur für die Zukunft der Grundlagenforschung. „SLAC ist nun der weltweit führende Standort für zeitlich hochaufgelöste Röntgenexperimente“, sagt Matthias Kling, Leiter von Wissenschaft und Forschung am LCLS. Die Kombination aus extrem hoher Pulsfrequenz, präzisen Detektionssystemen und KI-gestützter Datenanalyse macht die Forschung nicht nur schneller, sondern auch tiefer und präziser. Die neuen Instrumente öffnen Türen zu bisher unerreichbaren Fragestellungen – von der Entwicklung nachhaltiger Energietechnologien bis hin zur grundlegenden Erforschung des Lebens.