KI-Modell entwirft gezielt wirksame Krebsmedikamente ohne Vorwissen
KAIST-Forscher haben ein künstliches Intelligenz-Modell namens BInD (Bond and Interaction-generating Diffusion model) entwickelt, das neuartige Arzneimittelkandidaten für Krebsziele automatisch entwirft – ohne dass vorherige molekulare Daten erforderlich sind. Das Verfahren, veröffentlicht in Advanced Science, revolutioniert die traditionelle Arzneimittelentwicklung, die oft Jahre dauert, teuer ist und ein geringes Erfolgspotenzial aufweist. Statt durch trial-and-error-Suchprozesse zu arbeiten, nutzt BInD nur die Struktur eines Zielproteins – beispielsweise einer mutierten EGFR-Region, die bei Lungenkrebs eine Rolle spielt – und generiert gleichzeitig optimierte Moleküle, die gezielt an diese Bindungsstelle passen. Im Gegensatz zu früheren Ansätzen, die Molekülgenerierung und Bindungsprognose getrennt durchführten, integriert BInD beide Schritte in einem einzigen, simultanen Prozess. Dabei berücksichtigt es gleichzeitig chemische Wechselwirkungen wie Wasserstoffbrücken, Van-der-Waals-Kräfte und kovalente Bindungen, was die Wahrscheinlichkeit für wirksame und stabile Kandidaten deutlich erhöht. Ein zentraler Fortschritt ist die Einbindung chemischer Gesetzmäßigkeiten: Während Modelle wie AlphaFold 3 nur räumliche Koordinaten von Atomen vorhersagen, basiert BInD auf einem Wissensfundament aus realen chemischen Regeln – wie bindende Abstände, Bindungswinkel und Bindungsenergien. Dies führt zu molekularen Strukturen, die nicht nur strukturell passen, sondern auch chemisch plausibel sind. Zudem verwendet das Modell eine Optimierungsstrategie, bei der bewährte Bindungsmuster aus früheren Durchläufen wiederverwendet werden, ohne dass zusätzliche Trainingsdaten nötig sind. So verbessert sich die Qualität der Kandidaten kontinuierlich. Besonders bemerkenswert ist, dass BInD selektiv an mutierte Aminosäuren von EGFR bindet – ein entscheidender Vorteil für gezielte Krebstherapien mit geringeren Nebenwirkungen. Im Gegensatz zu früheren Arbeiten des Teams, die noch vorherige Informationen über Bindungsmuster benötigten, erlernt BInD nun selbstständig die Schlüsselfaktoren für starke Protein-Ligand-Wechselwirkungen. Professor Woo Youn Kim betont, dass dies eine Paradigmenverschiebung in der Arzneimittelentwicklung darstelle: „Die KI kann jetzt selbstständig lernen, was für eine starke Bindung notwendig ist, und optimale Moleküle entwerfen – selbst ohne vorherige molekulare Daten.“ Industrieexperten sehen in der Technologie einen Meilenstein. „BInD verbindet Genauigkeit, Effizienz und chemische Realität auf einer Ebene, die bisher unerreicht war“, sagt ein Forscher aus dem Bereich Computational Drug Discovery. Die Integration von physikalisch fundierten Regeln in ein Diffusionsmodell – wie es auch bei AlphaFold 3 erfolgreich war – könnte die Entwicklung von Medikamenten für seltene Krankheiten oder spezifische Tumormutationen dramatisch beschleunigen. Die KAIST-Forschung unterstreicht, dass KI in Zukunft nicht nur Daten analysiert, sondern kreative, wissenschaftlich fundierte Lösungen selbst entwirft.