Künstliche Intelligenz unterstützt Pathologen in Singapur bei komplexen Fällen
In Singapur arbeitet Dr. Cheng Chee Leong, Leiter der Abteilung für anatomische Pathologie am Singapore General Hospital, mit künstlicher Intelligenz (KI), um der wachsenden Komplexität und Belastung im Bereich der Krankheitsdiagnose gerecht zu werden. Mit einem zunehmenden Anteil älterer Patienten, die oft mehrere Erkrankungen gleichzeitig aufweisen, steigt die Anzahl an komplexen Fällen erheblich. Traditionelle Methoden der Gewebeuntersuchung unter dem Mikroskop sind nicht mehr ausreichend, um die steigenden Anforderungen zu bewältigen – besonders da die Zahl der Proben pro Fall von vier auf bis zu 30 Parameter ansteigen kann. Diese Entwicklung macht eine 10- bis 20-fache Erhöhung des Arbeitsaufwands erforderlich, was bei knappen personellen Ressourcen nicht nachhaltig ist. KI-Systeme bieten hier eine Lösung: Sie können kritische Bereiche in Gewebeschnitten schneller identifizieren, die Diagnosegenauigkeit erhöhen und die Effizienz steigern. Seit etwa einem Jahrzehnt arbeitet Dr. Cheng mit KI in der digitalen Pathologie, beginnend mit Projekten im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Singapore General Hospital und AI Singapore. Ein zentrales Projekt von 2020 bis 2021 richtete sich auf die Differenzierung von zwei ähnlichen Brusttumoren – Fibroadenomen und Phyllodes-Tumoren –, die sich klinisch oft ähneln. Die entwickelten Algorithmen halfen, die Diagnosegenauigkeit zu verbessern und Behandlungsentscheidungen besser zu unterstützen. Trotz dieser Fortschritte bleibt KI jedoch nicht fehlerfrei. Ihre Leistung hängt stark von der Qualität und Vielfalt der Trainingsdaten ab. Bei Verarbeitungsunterschieden – etwa durch andere Labore im Ausland – kann die KI falsche Ergebnisse liefern, etwa gefaltete Gewebe als Tumorbefund interpretieren. Menschen hingegen können flexibel auf ungewöhnliche oder neue Situationen reagieren, während KI oft versucht, neue Fälle in vorgefertigte Kategorien zu pressen. Daher ist der „Mensch im Loop“ weiterhin unverzichtbar: Ärzte prüfen KI-Ergebnisse kritisch, kombinieren sie mit klinischen Daten wie elektronischen Patientenakten und Radiologieberichten und nutzen ihr jahrelanges Fachwissen, um fehlerhafte Interpretationen zu vermeiden. Langfristig wird KI die Arbeitsweise der Pathologie verändern – nicht durch Ersatz, sondern durch Unterstützung. Ärzte müssen neue Kompetenzen erwerben, etwa im Umgang mit KI-Systemen und der Interpretation von Algorithmen. Wer KI nicht nutzen kann, wird in Zukunft nicht mehr wettbewerbsfähig sein. KI wird nicht den Arzt ersetzen, aber ein Arzt ohne KI wird nicht mehr mithalten können. Industrieexperten sehen in der KI-Integration eine notwendige Evolution der medizinischen Diagnostik. Unternehmen wie Philips, Roche und IBM Watson Health investieren massiv in KI-gestützte Pathologie-Tools. In Singapur gilt die KI-Initiative als Vorreiter in Asien, wo die digitale Transformation der Gesundheitsversorgung vorangetrieben wird. Die Zukunft liegt in der symbiotischen Zusammenarbeit zwischen menschlicher Expertise und künstlicher Intelligenz – eine Kombination, die präzisere, schnellere und sicherere Diagnosen ermöglicht.